Von Maulbeerbäumen und Seidenraupen

Eine Zeitreise durch einen mehr als 300 Jahre alten Kulturtransfer: Studierende der Berliner Hochschule für Technik (BHT) zeigen in einer Ausstellung den Einfluss der ins damalige Preußen geflüchteten Hugenotten am Beispiel von Seide und Maulbeerbäumen.

Teile einer historischen Weltkarte und rosafarbener Seidenstoff sind an Ästen mit Seidenfäden versponnen. Der Hintergrund ist ein erdiges Schwarz.
Ausstellung „Maulbeerbaumstadt“: Seide als Kostbarkeit porträtiertBild: Eliz Opitz

Trotz zahlreicher auf dem Weltmarkt angebotener Kunstfasern ist natürliche Seide ein auch heute noch bedeutendes Material für Interior Design und Kleidung. Ursprünglich aus China stammend, gelangte das einst gut gehütete Geheimwissen um die Technik der Seidenherstellung durch Handel und Schmuggel nach Europa. Im 17. Jahrhundert brachten französische Glaubensflüchtlinge, die Hugenotten, dieses Wissen und das biologische Ausgangsmaterial der Seidenproduktion – unter anderem den Maulbeerbaum, dessen Laub die Seidenraupen fressen – nach Brandenburg in das damalige Preußen.

Eine Ausstellung von Studierenden und Forschenden der Berliner Hochschule für Technik (BHT) und der Humboldt-Universität zu Berlin (HU) zeigt nun den Einfluss der Hugenotten auf die preußische Kultur: „Maulbeerbaumstadt“ ist zu sehen vom 24. August bis 12. Oktober 2024 im Hugenottenmuseum Berlin, im Französischen Dom am Gendarmenmarkt.

Interdisziplinäres Lehr- und Forschungsprojekt

Die Pop-Up-Ausstellung zeigt vier Schwerpunkte: Fotografien als Hommage an barocke Stillleben, experimentelle Collagen, Kartierungen und Dokumentationen der existierenden Maulbeerbäume sowie kleinste Maulbeerbäume, die in Gläsern (in-vitro) aus preußischen und damit historischen Maulbeerbäumen gezogen wurden.

Die ausgestellten Arbeiten und Exponate entstanden im Sommersemester 2024 im Rahmen des interdisziplinären und hochschulübergreifenden Lehr-, Lern- und Forschungsprojekts „Agritecture“. Betreut wurde das Projekt von

Im Fokus: Barocke Stillleben

„Barocke Stillleben bilden nicht nur die Vielfalt der Natur ab, sondern erstaunlich fotorealistisch auch die Sinnlichkeit von Seide, die Fragilität von Blättern und Blüten und den Verfall als Erinnerung an Vergänglichkeit und Tod“, erläutert Prof. Dr. Susanne Junker.

Das Stillleben entwickelte sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts, in der Zeit des Barock, zu einer eigenständigen Gattung in der Malerei. Vor dem Hintergrund von Kriegen, Hungersnöten und Krankheiten dienten die Gemälde als Mahnmale der Sterblichkeit dazu, die Wertschätzung der Natur und allen Lebens sichtbar zu machen.

„Diese Mahnung zu einem respektvollen und sorgfältigen Umgang mit der Natur ist zwar mehrere Jahrhunderte alt, aber angesichts heutiger Kriege, der Bedrohung durch den Klimawandel und der Nahrungsmittelknappheit in vielen Teilen der Welt erschreckend aktuell“, betonen die beteiligten Studierenden und Dozenten.

Von Maulbeerbäumen und Seidenraupen

Die Hugenotten waren französische Protestanten. Friedrich Wilhelm, Kurfürst von Brandenburg, lud die Glaubensflüchtlinge mit dem Edikt von Potsdam vom 29. Oktober 1685 nach Brandenburg ein. Das Edikt von Potsdam ist eine Bekundung zu religiöser Toleranz und gilt als Zäsur im vom Dreißigjährigen Krieg und weiteren Glaubenskriegen verwüsteten Europa des 17. Jahrhunderts.

Auf ausdrücklichen Befehl der preußischen Herrscher wurden damals Maulbeerplantagen angelegt. Einige dieser vor Jahrhunderten gepflanzten Maulbeerbäume leben und wachsen noch heute in Berlin und Brandenburg, trotzten Kriegen, zunehmendem Autoverkehr und Luftverschmutzung. Die in „Maulbeerbaumstadt“ ausgestellten In-vitro-Pflanzen sollen, sofern sie einmal zu jungen Bäumen heranwachsen, unter anderem auf dem BHT-Campus eingepflanzt werden.

Neben dem technischen Know-how der Seidenherstellung brachten die Hugenotten auch bis dahin wenig bekannte Gemüsesorten mit. Die Dauerausstellung des Hugenottenmuseums vertieft diese Themen.

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