1,7 Millionen Euro für KI-Forschung

Gefährliche Stürze vermeiden, Störungen in Lieferketten identifizieren oder Firmen digitale Geschäftsmodelle ermöglichen: Drei neue Forschungsprojekte aus dem Verbund „Data Science +X“ der Berliner Hochschule für Technik werden voraussichtlich mit 1,7 Millionen Euro unterstützt.

Methoden der KI stehen im Fokus des Forschungsverbunds „Data Science +X“ an der BHT
Methoden der KI stehen im Fokus des Forschungsverbunds „Data Science +X“ an der BHTBild: 3dkombinat – stock.adobe.com

Jedes Jahr stürzen fünf bis sechs Millionen Menschen in Deutschland zu Boden, so die Bundesinitiative Sturzprävention. Dies verursacht nicht nur hohe Behandlungskosten. Für ältere Menschen kann ein Sturz schwere gesundheitlichen Folgen nach sich ziehen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung(BMBF) unterstützt die Berliner Hochschule für Technik (BHT) deshalb im Forschungsvorhaben KIP-SDM mit 700.000 Euro.

KIP-SDM zielt darauf ab, mithilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) mehr Daten für die Sturzprävention zu gewinnen. An dem Kooperationsprojekt, das von der Berliner Charité koordiniert wird, ist der BHT-Forschungsverbund „Data Science +X“ beteiligt. Wissenschaftler*innen verschiedener Disziplinen forschen darin zu Themen der Datenwissenschaft.

Hilfestellung für Pflegepersonal

„KI-Systeme können für das Pflegepersonal einen wichtigen Beitrag leisten, indem sie das individuelle Sturzrisiko berechnen und auf sturzgefährdete Patienten hinweisen“, sagt Professor Alexander Löser, Fachbereich VI. Der Sprecher von Data Science +X leitet das dreijährige Projekt gemeinsam mit Felix Bießmann, Professor für Maschinelles Lernen im Fachbereich VI. Bereits existierende KI-Lösungen beruhten auf Ganganalysen. Dies allein reiche nicht aus, um das Risiko eines Sturzes ausreichend kalkulieren und vorab darauf reagieren zu können.

In KIP-SDM, das im August 2022 gestartet ist, sollen Daten zur Medikation von Patienten, deren Vital- und Labordaten sowie medizinische Protokolle zusätzlich berücksichtigt werden. Hierfür ist geplant, eine Datenbank mit pseudonymisierten Patientendaten aufzubauen. „Datenverfügbarkeit und Datenqualität sind die größten Herausforderungen in dem Projekt“, erläutert Löser. Mit allen Datensätzen soll schließlich eine KI trainiert werden, die die individuellen Sturzrisiken bestimmt. Das Pflegepersonal, beispielsweise in der Geriatrie an der Charité oder dem Johannesstift Diakonie in Berlin, soll auf diese Weise eine Hilfestellung erhalten.

Neue digitale Geschäftsideen

Für eine Förderung ebenfalls vorgesehen sind zwei weitere KI-Forschungsprojekte der BHT: Eine Auswahljury hat dem BMBF die Förderung der Projekte More-With-Less und AI4SCM vorgeschlagen, in Höhe von voraussichtlich einer Millionen Euro. Das Geld soll im Rahmen des Programms KI4KMU fließen. Das BMBF unterstützt damit Projekte, die sich mit dem Einsatz von KI-Methoden in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) befassen.

Das Projekt More-With-Less soll die Grundlagen für digitale Geschäftsideen mit „Sprachmodellen“ schaffen. Grob vereinfacht dargestellt, enthalten Sprachmodelle Wortkombinationen, die aus hunderten Millionen Sätzen gelernt wurden und mit vielen Milliarden Parameter miteinander verknüpft sind.

Wichtiges Wirtschaftsgut

Sprachmodelle kommen beispielsweise in der Sprachsteuerung von Amazon Alexa oder der Google-Suche zum Einsatz. Im Industrie- und Gesundheitsbereich sind sie ebenfalls anzutreffen, etwa bei der Bestimmung von Krankheitssymptomen, im Service oder beim maschinellen Lesen von Verträgen.

Die Herstellung von Sprachmodellen, bei denen Rechner komplexe Abfolgen von Zeichen über viele Wochen quasi „auswendig lernen“, ist sehr teuer. „Ein Sprachmodell ist ein wichtiges Wirtschaftsgut“, betont der KI-Experte. Das Problem: Deutsche Sprachmodelle gibt es bislang kaum. US-Konzerne vermieten kostenintensiv den Zugang zu der wichtigen Ressource. Das Projekt More-With-Less soll daher Open-Source-Sprachmodelle an die deutsche Sprache anpassen, damit kleinere Unternehmen sie für eigene Ideen mit geringem finanziellem Aufwand nutzen können.

Ãœberwachung von Lieferketten

Im Projekt AI4SCM wollen die Wissenschaftler*innen um Alexander Löser und Felix Gers, ebenfalls Professor im Fachbereich VI, Methoden entwickeln, mit denen Störungen in Lieferketten – etwa Streiks, Unfälle oder Umweltkatastrophen – schnell und sicher erkannt werden können.

Dies geschieht angesichts des 2023 in Kraft tretenden Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes. Es verpflichtet Firmen, ihre Lieferketten zu überwachen. „Sehr große Unternehmen haben dafür eigene Abteilungen, kleine und mittlere Unternehmen jedoch nicht“, erklärt Löser.

Das Projekt zielt deshalb darauf ab, Störungen mit KI-Methoden vorhersagen zu können, auch bei raren Datengrundlagen. Die KI soll text-basierte Quellen wie beispielsweise Newsagenturen in verschiedenen Sprachen auswerten und Firmen über Störungen informieren. „Auch dazu werden vortrainierte multi-linguale Sprachmodelle und preiswerte Anpassungsmethoden dringend benötigt.“ 

Der BHT-Forschungsverbund Data Science +X beschäftigt in allen aktuellen Projekten mehr als 20 wissenschaftliche Mitarbeiter*innen, die in Kooperation mit verschiedenen Universitäten promovieren. Die eingeworbenen Drittmittel (1,7 bis 2,0 Millionen Euro pro Jahr) finanzieren einen Großteil der Promovierenden-Ausbildung innerhalb von Data Science +X. Der Verbund ist damit der leistungsstärkste für den Schwerpunkt Maschinelles Lernen an einer deutschen Hochschule für Angewandte Wissenschaften.

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