Blick voraus: Präsidentin Dr. Julia Neuhaus hatte zum traditionellen Neujahrsempfang eingeladen – und zahlreiche Angehörigen der Berliner Hochschule für Technik (BHT) kamen. In ihrer Eröffnungsrede warf sie einen grundsätzlichen Blick auf die Hochschule. „Warum gibt es die Berliner Hochschule für Technik?“, fragte Neuhaus zu Beginn der Veranstaltung in der Beuth-Halle. Die einfache Antwort, technisches Fachwissen zu vermitteln, greife zu kurz. „Als wissenschaftliche Institution fördern wir den freien demokratischen Diskurs.“ Das mache die BHT durch Forschung und indem sie mündige Bürger*innen ganzheitlich ausbilde.
Und diesem Anspruch wird die Hochschule gerecht, wie das weitere Abendprogram zeigte: Prof. Dr. Ivo Boblan, Fachbereich VII, gab spannende Einblicke in das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligte Megaprojekt „Berliner Initiative für Forschung im Bereich Foundation Models“, AStA-Vorstand Nick Blum appellierte an die Bedeutung von demokratischer Mitbestimmung der Studierenden in der Hochschulpolitik. Lust auf mehr machten auch zwei Studentinnen der Medieninformatik, die mit einer Virtual-Reality-Anwendung demonstrierten, wie virtuelles Pizzabacken das Programmieren schult. Nicht mit virtueller, sondern echter Pizza klang der Neujahrsempfang anschließend bei einem Get-together aus.
Wir dokumentieren die Eröffnungsrede (Auszug) von Präsidentin Dr. Julia Neuhaus:
Warum gibt es uns, warum gibt es die Berliner Hochschule für Technik?
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, schön, dass Sie da sind.
Warum gibt es Wissenschaft und die Vielfalt von Hochschulen?
Die einfache Antwort lautet: Weil wir unseren Nachwuchs ausbilden wollen und sollen – technisches anwendungsorientiertes Fachwissen weitergeben.
Es ist unser Auftrag, mündige Bürgerinnen und Bürger in ihrer Entwicklung zu unterstützen, ihnen das Rüstzeug für Mut und das Einstehen für ihre Überzeugungen zu geben und gleichzeitig die Bedeutung für das Beste, was unsere Gesellschaft hat, klarzumachen. Demokratie! Mit all ihren Risiken, Irrungen und Wirrungen, mit ihren Ineffizienzen – die Demokratie ist es wert, denn wir haben nichts Besseres.
Wir profitieren von einer weltoffenen und innovativen Gesellschaft hier an der BHT, die ihr Potential in einer demokratischen Gesellschaftsform am besten entfalten kann – denn wir haben nichts Besseres.
In einer Zeit, in der das Wort Deportation nicht mehr nur in einem Zusammenhang mit unserer dunkelsten Geschichte verwendet wird, sondern ganz aktuell jeden Tag in der Tagesschau vorkommt, in dieser Zeit wird der Auftrag an uns Hochschulen bedeutender denn je.
Wir unterstützen die Entwicklung von Menschen mit Fachwissen und der Fähigkeit zu kritischer Auseinandersetzung, mit Meinungsfreiheit und Mut, mit Haltung und Toleranz.
Was heißt Demokratie?
Demokratie heißt Volksherrschaft und bedeutet die Teilhabe aller (!) an der politischen Willensbildung. Deportationen und Ausschluss der Teilhabe ist kein Element der Demokratie.
Auch unsere Hochschule funktioniert nach demokratischen Regeln. Durch ihre Selbstverwaltung ist sie in vielerlei Hinsicht durch Autonomie und Freiheit in ihrem Handeln und Wirken geprägt. Das ist richtig und wichtig.
Es ist unser Auftrag, der Auftrag der Berliner Hochschule für Technik, ganzheitlich zu befähigen – inhaltlich wie persönlich – eben diesen mündigen, kritischen Mitmenschen mit dem nötigen Grundgerüst auszustatten, um unsere Gesellschaft zu erhalten und weiter zu entwickeln.
Als ich mich an der Berliner Hochschule für Technik im vergangenen Jahr beworben und meinen ersten Vortrag im Ingeborg-Meising-Saal gehalten habe, sprach ich von drei anzustrebenden Zielen: Wir erfüllen unseren gesellschaftlichen Auftrag, wir steigern unsere Wettbewerbsfähigkeit und wir werden sichtbarer.
Zu meinem Start am 1. Oktober letzten Jahres war mir nicht klar, wie schnell ich mich über die Frage, was ist der gesellschaftliche Auftrag, immer wieder austauschen würde. Der 7. Oktober hat die Bedeutung des Raumes für Meinungsfreiheit an Hochschulen wieder verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Als Hochschule, die Studierende aus 120 Nationen beheimatet, braucht es in Zeiten von Krisen, Kriegen und Konflikten Raum und Zeit für einen Austausch verschiedenster Gruppen – auch und insbesondere jener der Minderheiten.
Zu meinem Start am 1. Oktober letzten Jahres habe ich erwartet, Expertinnen und Experten als neue Kolleg*innen vorzufinden, die mit Herzen in den Augen ihr Wissen zu Chemie, Elektromobilität, Architektur und vielem mehr weitergeben. Kennengelernt habe ich zudem eine Gemeinschaft, die mit ihren Innovationen ungemein kreativ sein kann und deren Forschungsleistungen das Wort Exzellenz mit Fug und Recht tragen darf. Eine kreative Gemeinschaft, die neben dem fundierten Fachwissen eigeninitiativ ist, über den Tellerrand schaut und noch viel mehr kann als Fachlichkeit – Musik, Kunst, politischen und gesellschaftlichen Diskurs.
Zu meinem Start am 1. Oktober letzten Jahres habe ich gehofft, dass ich trotz knapper Ressourcen Raum und Zeit habe, die Fachbereiche kennen zu lernen und zu besuchen. Ich habe gelernt, dass die Realität des Wintersemesters zu wenig Zeit dafür ließ und bin in verkürzter Form lediglich in Fachbereichsräte gegangen, mit dem klaren Ziel, in der anstehenden vorlesungsfreien Zeit, das Versäumte aufzuholen.
Ich freue mich darauf, dass wir verschiedene Perspektiven miteinander kombinieren, die Kompetenzen aufbauen und nutzen sowie unseren Fokus auf das Stärken stärken setzen.
Die ersten 100 Tage sind geschafft – 114 ganz genau. Was habe ich gelernt? Die Berliner Hochschule für Technik steht für: quantitativ und qualitativ hochwertige Lehre, hohe Innovationsfähigkeit und Zukunftsperspektiven, Vielfalt und Toleranz.
Die damals benannten Ziele sind richtig: Erfüllung des gesellschaftlichen Auftrags, Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und Sichtbarkeit.
Ich bin überzeugt davon, dass wir miteinander mit dem, seit 1. Dezember vervollständigten Team der Hochschulleitung, miteinander mit Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, miteinander, mit unseren Partnerhochschulen in Berlin und weiter weg, miteinander mit Ihnen, liebe Partnerinnen und Partner aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung, aber vor allem miteinander mit unseren Studierenden diese Ziele erreichen können.
Lassen Sie mich das Vorhandene der Berliner Hochschule für Technik einmal in Zahlen ausdrücken. Wir, wir sind eine Hochschule mit 200-jähriger Geschichte, 12.400 Studierenden aus 120 Nationen, über 70 Studiengängen, knapp 800 Beschäftigten aus Lehre, Forschung, Verwaltung – für die wir Verantwortung als Arbeitgeberin haben –, über 500 Lehrbeauftragte tragen ihr praktisches Fachwissen in die Hochschule, und 27 Gründerinnen und Gründer im vergangenen Jahr.
Um die zu Beginn gestellt Frage noch einmal in Erinnerung zu rufen: Warum gibt es uns? Weil wir Menschen bei ihrer ganzheitlichen Entwicklung unterstützen, und wir können das!
Vielen Dank
Dr. Julia Neuhaus, Präsidentin der BHT