Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) legt den Fokus der aktuellen Ausgabe ihrer Publikation baua: Aktuell auf den Arbeitsschutz während der Covid-19-Pandemie. In einem Artikel zu berufsbedingten Corona-Risiken greift die Redaktion die Bachelorarbeit von Filiz Özcan auf, die inzwischen Biotechnologie an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) im Master studiert. Die Forschungsarbeit, die im Jahr 2020 an der BAuA zusammen mit dem Wissenschaftler Frank Dieterich entstand, gibt eine Risikoschätzung zur Infektion mit dem Coronavirus bei Beschäftigten im Einzelhandel für Lebensmittel und Drogeriewaren.
In der Studie kamen die Wissenschaftler*innen zu dem Ergebnis, dass das Kassenpersonal zwar vielen Kund*innen begegnet, daraus aber nicht ein hohes Infektionsrisiko resultieren muss. „Das Thema war damals sehr relevant, hochaktuell und weitgehend unerforscht", sagt BHT-Studentin Filiz Özcan. Während der Pandemie-Hochphase habe es laufend neue Erkenntnisse zu Covid-19 geben. Gleichzeitig sei der Einzelhandel von Schließungen ausgenommen gewesen. Entsprechend stieß die Forschungsarbeit auf Interesse und wurde vom Robert-Koch-Institut (RKI) als Literaturquelle in dessen Epidemiologischen Bulletin berücksichtigt. Auch Branchenpublikationen berichteten über die Ergebnisse.
Kontakt von zwei Minuten
In ihrer Bachelorarbeit konzentrierte sich Özcan auf eine Literaturrecherche. „Nachdem die Pandemie ausgerufen worden war, konnten die Labore der BAuA nur gering ausgelastet werden", erinnert sie sich. In Kombination mit vor der Infektionswelle durchgeführten Experimenten mit Aerosolen gelang es ihr und Dieterich, das Corona-Risiko für Angestellte im Einzelhandel zu bestimmen. Sie verglichen dafür typische Situationen im Einzelhandel mit epidemiologischen Daten zum Covid-19-Risiko in anderen Szenarien. So untersuchten Özcan und Dieterich, ob sich das epidemiologische Modell eines Szenarios auf ein anderes übertragen ließ, für das keine Daten vorliegen. Anschließend schätzten sie, dass jeder Kontakt an der Kasse zwischen Personal und Kund*innen im Schnitt zwei Minuten dauert. Für den Einzelhandel bezifferten sie die Zahl der täglichen Kontakte auf 84, für Discounter 131.
In Zusammenhang mit der Prävalenz von 3,59 Prozent für Corona-Infektionen, also dem Anteil der Erkrankten in der Gesellschaft, berechneten die Wissenschaftler*innen, dass Kassenangestellte im Einzelhandel täglich mit drei Infizierten in Kontakt kommen. Dies entspricht einer Dauer von sechs Minuten. Für Discounter ergaben sich fünf Kontakte und eine Dauer von zehn Minuten. Beide Zeitangaben überschreiten nicht den Schwellenwert von zehn Minuten, ab dem von einem Hochrisikokontakt gesprochen wird. Das Infektionsrisiko hängt also von lokaler Infektionshäufigkeit, Kontaktanzahl mit Infizierten sowie Dauer ab.
BHT kooperiert mit BAuA
BHT-Studentin Filiz Özcan verfasste die Abschlussarbeit im Bachelor-Studiengang Biotechnologie 2020 an der BAuA in der Fachgruppe "Biologische Arbeitsstoffe". Inzwischen schreibt sie an ihrer Masterarbeit. Sie forscht dafür am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung zu innovativen Pilzmaterialien im Medizinbereich.
Die BAuA-Fachgruppe und der BHT-Studiengang Biotechnologie kooperieren seit längerem. So begleiten Wissenschaftler*innen regelmäßig Bachelor- oder Masterarbeiten von BHT-Studierenden. Darüber hinaus besuchen Bachelor-Studierende, die das Wahlpflichtfach "Rechtskunde für Biotechnologie/Biobusiness" bei Prof. Dr. Steffen Prowe, Fachbereich V, belegen, jedes Semester die Fachgruppe. Dort erfahren sie mehr über die Gefährdungsbeurteilung bei der Arbeit mit biologischen Arbeitsstoffen.