Impulse für Biotech und Grüne Städte

An der Berliner Hochschule für Technik haben zwei neue Forschungsverbünde ihre Arbeit aufgenommen: Im Fokus von IMPACT steht die Biotechnologie, während sich Forscher*innen in Sustainable Cities mit nachhaltiger Stadtentwicklung befassen.

Prof. Dr. Elisabeth Grohmann und Prof. Thomas Sakschewski
Prof. Dr. Elisabeth Grohmann (l.) und Prof. Thomas Sakschewski fungieren als Sprecherin bzw. Sprecher der neuen Forschungsverbünde.Bild: BHT

Für Thomas Sakschewski, Professor für Veranstaltungsmanagement und -technik am Fachbereich VIII, ist die Fokussierung des neuen Forschungsverbunds Sustainable Cities auf die Nachhaltigkeit von Großstädten zwingend. „In den Städten konzentrieren sich die großen Herausforderungen des Klimawandels“, schildert er. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind sie für mehr als 70 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen verantwortlich, während sie gleichzeitig zu mehr als 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beitragen. Dicht besiedelte Metropolen verbrauchen mehr Ressourcen als sie selbst herstellen. Sie können sich nicht selbst tragen, seien vom Umland abhängig. Kurzum: „Städte können a priori nicht klimaneutral sein“, so Thomas Sakschewski. Sie müssten sich zu einer klimafreundlichen Kreislaufwirtschaft transformieren. Erschwerend komme hinzu, dass die Verstädterung weltweit voranschreitet. Schon jetzt leben in Städten, die zwei Prozent der Erdoberfläche bedecken, bereits mehr als 50 Prozent der Weltbevölkerung. In nur 25 Jahren werden es bei dieser Entwicklungstendenz wohl 80 Prozent sein.

Der Professor ist Sprecher von Sustainable Cities, einem von zwei neuen Forschungsverbünden, die im Oktober 2023 an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) gestartet sind. Zusammen mit HARMONIK und Data Science +X gibt es damit vier Forschungsverbünde an der BHT. Jeder einzelne ist auf eine Forschungsagenda spezialisiert, für die sich Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Fachbereichen der Hochschule zusammenschließen. Sie bringen mit ihrer Expertise auch den Blickwinkel ihrer jeweiligen Disziplin ein. Aus dem interdisziplinären Ansatz sollen Synergien entstehen, die den Forschungsprojekten in den Verbünden zugutekommen sollen.

Unterschiedliche Disziplinen

Für Sakschewski ist der neue Forschungsverbund, der auf seine Initiative entstanden ist, eine Herzensangelegenheit. „Wir müssen einfach etwas machen angesichts des Klimawandels“, sagt er. Neue Wege müssten gefunden werden, damit die Städte auch in der Zukunft lebenswert bleiben. Als Beispiel nennt er die immer häufiger auftretenden Hitzewellen, die im Hochsommer das Leben einschränken. Das Thema Nachhaltigkeit umfasst jedoch viele weitere Facetten urbanen Lebens, die erst bei näherer Betrachtung offensichtlich werden. Sakschewski denkt beispielsweise an die Nutzung und die Gestaltung öffentlicher Räume, an Freiraum- und Flächenmanagement, an Gewässerschutz, aber auch an Gebäudetechnik oder an den Umgang mit natürlichen Rohstoffen.

In Sustainable Cities kooperieren Wissenschaftler*innen aus den Fachbereichen II, III, IV, V und VII, also aus sehr unterschiedlichen Disziplinen, um gemeinsam an der Stadt der Zukunft zu forschen. Darunter sind Expert*innen für Erneuerbare Energien, Maschinenbau, Werkstoffkunde, Landschaftsarchitektur oder Verfahrenstechnik. Für den Professor, der sein Fachwissen im Veranstaltungsmanagement beisteuert, ist der Forschungsverbund nicht spezifisch auf ein einziges Problem ausgerichtet – mit Absicht. „Für mich stellt dies einen großen Vorteil dar, der Offenheit bietet.“ Nachhaltigkeit betreffe alle Lebensbereiche und damit auch alle Fachdisziplinen.

Neue Medikamente

Zu Beginn ist Sustainable Cities mit fünf Forschungsprojekten gestartet, die bereits an der BHT existieren und die sich deshalb im Verbund ergänzen. In diesen Vorhaben geht es um die Entwicklung von Werkstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen wie Bambus, nachhaltige Sicherheitselemente sowie um Regenwasserbewirtschaftung, Wassergewinnung und Energieeinsparung bei Heizungen. Das erste Jahr des Bestehens des Verbunds soll Sakschewski zufolge als Anlaufphase dienen, in der sich die Vertreter*innen der unterschiedlichen Disziplinen vernetzen und gemeinsam Ideen entwickeln sollen. 2025 werden dann die ersten fachbereichsübergreifenden Forschungsprojekte ihre Arbeit aufnehmen.

Der zweite Forschungsverbund, den die BHT neben Sustainable Cities neu eingerichtet hat, steht im Zeichen der Biotechnologie. Der Titel IMPACT – ein Akronym aus „Interaction, Metabolism, Purification, Analytics, Co-Culture and Target-specific Drug-Design“ – ist durchaus wörtlich zu nehmen. Das Forschungsteam zielt innerhalb der nächsten drei Jahre auf konkrete Ergebnisse: So ist geplant, ressourcensparende Technologien zu entwickeln, mit denen neue Medikamente erforscht und produziert werden sollen. Zeitgleich wollen die Expert*innen Methoden erforschen, mit denen sich Biofilme aus Krankheitserregern, also Schleimschichten von Mikroorganismen, verhindern lassen. Ein weiteres Ziel von IMPACT ist, Biomaterialien und Biomoleküle auf Basis von Mikroorganismen oder Zellkulturen herzustellen. Daraus könnten beispielsweise antimikrobielle Substanzen hervorgehen, die verhindern, dass Wasserleitungen von Bakterien kontaminiert werden.

Aufbau einer Pipeline

„An der BHT ist der Bereich Life Science sehr forschungsaktiv“, sagt Verbundsprecherin Dr. Elisabeth Grohmann, Professorin für Mikrobiologie am Fachbereich V. Das Kollegium habe schon lang das Ziel verfolgt, einen Forschungsverbund zu gründen. Die Aktivitäten aller Professorinnen und Professoren, die rund um die Biotechnologie tätig seien, würden nun fachbereichsübergreifend gebündelt. In IMPACT plant das Team, bestehend aus Wissenschaftler*innen der Fachbereiche II, V, VII und VIII, ein eigenes Forschungsprogramm zu entwickeln. „Wir möchten die Methoden, die wir bereits beherrschen oder nur noch modifizieren müssen, nutzen, um gemeinsam verschiedenste therapeutisch, antimikrobiell oder in der Umweltanalytik einsetzbare Substanzen und Produkte herzustellen.“

Damit die Ziele von IMPACT erreicht werden können, liegt der Fokus zunächst im Aufbau einer sogenannten Pipeline. Gemeint ist eine Art Ablaufschema, in dem die einzelnen Forschungsmethoden kombiniert werden. „Die Pipeline gibt es schon, in Form der unterschiedlichen Arbeitsgruppen an der Hochschule“, sagt Grohmann. Die einzelnen Tätigkeiten müssten nur noch für die Anwendung verkettet werden.

Drei Anwendungsfelder

Die Mikrobiologie-Expertin skizziert die angedachte Pipeline am Beispiel der Medikamenten-Entwicklung: Zunächst erfolgt ein Screening am Computer. Das heißt: Aus einer Vielzahl von Substanzen, Genen oder Organismen werden daraus einzelne mit spezifischen Eigenschaften ausgewählt, die vielversprechend erscheinen. Es folgt die Auswahl eines biologischen Produktionssystems, in dem die einzelnen Prozessschritte unter optimalen Produktionsbedingungen designt werden. Mit diesem stellen die Forscher*innen die gewünschte Substanz kontrolliert in geringen Mengen her, inklusive Reinigung und Qualitätsprüfung des hergestellten Produkts. Konzipiert wird ebenso, wie sich das Medikament anschließend industriell herstellen lassen könnte.

Zum Start des Forschungsverbunds soll die Pipeline zunächst anhand von drei Anwendungsfeldern erprobt und optimiert werden: die Bekämpfung von bakteriellen Biofilmen, die die Erreger beispielsweise vor Antibiotika schützen, die Entwicklung neuartiger Medikamente gegen die lebensbedrohliche Infektionskrankheit Malaria und die Erforschung der Wechselwirkungen zwischen mikrobiellen Co-Kulturen für die pharmazeutische Nutzung. Diese Anwendungsfelder eignen sich Grohmann zufolge besonders gut für die Umsetzung. „Unsere Forschung an der BHT ist in diesen Anwendungsfeldern bereits weit fortgeschritten“. Die Professorin erwartet daher, dass es mit der Pipeline gelinge, Produkte in diesen Bereichen erfolgreich herzustellen. Dasselbe wünscht sie sich für die weiteren Anwendungsfelder, die sich anschließend in IMPACT entwickeln und bearbeitet werden sollen.

 


Hintergrund: BHT-Forschungsverbünde

Die interdisziplinären Forschungsverbünde ermöglichen den Diskurs zwischen den Disziplinen zu einem gemeinsamen Forschungsthema. Die Arbeit der vier Verbünde wird vom Referat Nachwuchsförderung und wissenschaftliche Zusammenarbeit (NWZ) unterstützt.

  • Im Forschungsverbund Data Science +X arbeiten Expert*innen an Themen rund um die Künstliche Intelligenz, beispielsweise Deep Learning, Human-Computer Interaction oder Data Quality.
  • Der Verbund „Humanoide Robotik und Mensch-Technik-Interaktion“ (HARMONIK) forscht zur Interaktion zwischen Mensch und humanoiden Roboter-Assistenzsystem.
  • In IMPACT sollen bioaktive Substanzen charakterisiert und produziert sowie in Gemeinschaften lebende mikrobielle Zellen analysiert und zur Produktion bioaktiver Stoffe genutzt werden. Die Resultate finden Anwendung in Hygiene und Krankheitsbekämpfung.
  • Der Verbund Sustainable Cities erforscht Konzepte für eine nachhaltige Stadtentwicklung. Dies umfasst etwa öffentliche Räume, Gebäude, urbanes Freiraum- und Flächenmanagement oder die nachhaltige Verwendung von Rohstoffen.

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