Mehr Bewusstsein für Lebensmittel

Viele Menschen hätten unrealistische Erwartungen an Lebensmittel, sagt Prof. Dr. Carola Müller, Lebensmittelchemie-Expertin und Vizepräsidentin für Studium und Lehre. Im Interview in der Reihe „Drei Fragen, drei Antworten“ spricht sie über Verbraucherschutz, Selbstverantwortung und Tütensuppe.

Bild von Prof. Dr. Carola Müller
Prof. Dr. Carola Müller Bild: Studio Monbijou

Frau Müller, Ihr Fachgebiet ist die Lebensmittelchemie, die Sie als Professorin im Studiengang Lebensmitteltechnologie vermittelt haben. Besonders interessieren Sie sich für Verbraucherschutz. Ein vielschichtiges Thema, oder?

Absolut. Die übergeordnete Aufgabe im Verbraucherschutz ist immer der Gesundheitsschutz. Gravierende Verstöße tauchen als Lebensmittelskandale in den Medien auf, der „Gammelfleischskandal“ zum Beispiel. Ein Teilbereich des Verbraucherschutzes ist der Schutz vor Irreführung und Täuschung. So darf Werbung für Lebensmittel keine falschen Versprechen machen. Früher gab es Reklame für Nahrungsmittel, die angeblich klüger oder schöner machten.

Ein weiteres Thema ist Food Fraud, also Lebensmittelbetrug, bei dem der Inhalt eines Produkts nicht mit den Angaben auf dem Etikett übereinstimmt. Ein häufig betroffenes Produkt ist Olivenöl mit dem Label „extra vergine“ oder „nativ“.

Insgesamt sind einige Lebensmittelunternehmen durchaus recht kreativ darin, gesetzliche Vorschriften zu ignorieren oder zu umgehen. Das ist jedoch nicht die Regel. Zudem haben wir in der EU und in Deutschland ein sehr gutes, strenges Lebensmittelrecht. Die Verbraucher*innen können sich geschützt fühlen. Meines Erachtens gehört zum Verbraucherschutz allerdings auch, dass Umwelt und Tiere geschützt werden. Gerade beim Tierschutz bin ich äußerst skeptisch angesichts der erlaubten Formen der Tierhaltung.

Wie bewerten Sie die Rolle der Konsument*innen?

Es gehört zur Aufgabe jedes Menschen, die Bedeutung von Lebensmitteln für sich selbst zu bestimmen. Wenn ich hochwertige Lebensmittel möchte, muss ich bereit sein, mehr Geld auszugeben und Zeit für die Zubereitung zu investieren. Viele Menschen formulieren ihre Bedürfnisse aber unausgewogen, woraus eine undifferenzierte Erwartungshaltung entsteht. Manche ärgern sich regelrecht über Preise oder Inhalte.

Wenn ein Lebensmittel zum Beispiel vollwertig, möglichst natürlich sein soll, dazu in der Zubereitung einfach, möglichst billig und auch noch sehr gut schmecken soll, dazu kann ich nur sagen: Diese eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Wer eine Tütensuppe zum Aufgießen für 79 Cent kauft, sollte sich nicht beschweren, dass sie Hühnchenaroma enthält. Diese Produkte gibt es auch wegen der bestehenden Nachfrage.

Wie gelingt ein bewusster Umgang mit Lebensmitteln?

Verbraucherschutz bedeutet für mich ganz viel Aufklärung, was das Wissen über Nahrungsmittel und Lebensmittelauswahl angeht. Ich wünsche mir, dass dies viel stärker in die schulische Ausbildung einfließt. Wer in der Lage ist, die Angaben auf einem Lebensmitteletikett zu verstehen, kann sie besser einordnen. Dazu gehört auch die Erkenntnis, dass der Einsatz von Aromen legitim sein kann. In eine Packung Chips mit Käse-Geschmack lässt sich nun mal kein Kilo Gouda beilegen. Es wäre viel gewonnen, wenn sich die Menschen ihre Erwartungen bewusst machen. Jeder Mensch profitiert von einem reflektierten Umgang mit Lebensmitteln.

 

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