Überwachungskamera für Zellteilung

Im Forschungsprogramm zum Einsatz von KI in der Quantitativen Biologie wird die Zellteilung untersucht. Durch den Einsatz smarter Mikroskope, die kontinuierlich die Zellaktivität überwachen, hofft das Team zu verstehen, wie Fehler bei der Erbgutverteilung entstehen.

KI-Mikroskop
Blick durch das smarte Mikroskop: Auf dem rechten Bild sind Chromosomen (cyan) zu sehen, die durch Zug und Schub der Spindel (weiß) aufgeteilt werden.Bild: BHT/MuseAI, Reber Lab

Die Berliner Hochschule für Technik (BHT) untersucht in einem Forschungsprogramm, wie eine Zukunft mit Künstlicher Intelligenz aussehen könnte. Unter dem Titel „Berliner Initiative für Forschung im Bereich Foundation Models“ (Appl-FM) wird ein interdisziplinäres Team von zehn Forschenden aus verschiedenen Fachrichtungen mit einem Fördervolumen von fünf Millionen Euro über fünf Jahre unterstützt. Diese Initiative ist Teil der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ins Leben gerufenen Forschungsimpulse (FIP), die darauf abzielen, anwendungsorientierte Grundlagenforschung zu fördern. In dem Programm sollen mit Foundation Models – hochentwickelte KI-Systeme, die Muster in Daten erkennen und lernen können – neue Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt werden. Im Fokus steht dabei auch der Bereich Quantitative Biologie.

Zellen sind die grundlegenden Funktionseinheiten des Lebens. Alle Lebewesen sind aus Zellen aufgebaut. Prof. Dr. Simone Reber, Expertin für Biochemie und Biophysik am Fachbereich V, widmet den Großteil ihrer Arbeit der biologischen Organisationseinheit. „Wir versuchen zu verstehen, wie das Innere von Zellen organisiert ist“, sagt Reber zum Ziel des Appl-FM-Forschungszweigs „Quantitative Biologie und smarte Mikroskope“. Ein Aspekt dieser Frage ist die Mitose, die Zellteilung, bei der das Erbgut auf zwei Tochterzellen aufgeteilt wird. Zukünftig sollen smarte Mikroskope einen Teil der Routinearbeit übernehmen.

Mitose verstehen

„Viele Zellen altern und sterben nach einer gewissen Zeit ab. Die Zellteilung sorgt dafür, dass neue Zellen entstehen“, erklärt die Biochemikerin. Damit sich eine Zelle teilen kann, verdoppelt sie zuerst das Genom, also das Erbgut, und verteilt das dann auf die Tochterzellen. Fehler bei der Verteilung des Erbguts können fatale Folgen haben und – unter anderem – zum Zelltod oder zu sogenannter maligner Entartung führen.
Treten solche Fehler früh während der Embryonalentwicklung auf, ist eine mögliche Konsequenz, dass der entstehende Embryo zu viele Chromosomen besitzt. Ein bekanntes Beispiel ist das Down-Syndrom, das durch eine zusätzliche Kopie von Chromosom 21 ausgelöst wird. „Wenn wir die grundlegenden Vorgänge der Mitose erfassen, können wir dazu beitragen zu verstehen, wie es zu solchen Fehlern kommt“, verdeutlicht Reber die Bedeutung ihrer Forschung.

Viele der wichtigsten Erkenntnisse zur Mitose werden durch die Visualisierung und Aufzeichnung mitotischer Prozesse mit Hilfe der Fluoreszenzmikroskopie ermöglicht. In einer Population von Zellen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Zelle in Mitose befindet aber relativ gering, was es schwierig macht, sie zu finden. Die Mitose läuft zudem recht schnell ab, sie ist ein vergleichsweise seltenes und kurzes Ereignis im Leben einer Zelle.

Überwachungskamera für Zellen

Das Problem: Zum tiefgreifenden Verständnis der Zellteilung braucht es eine Vielzahl von Mitose-Aufzeichnungen. „Das heißt, wir müssen die Zelle Tag und Nacht beobachten, um dieses seltene und nur kurze Event filmen zu können“, so Reber zum Forschungsvorgang. „Anstatt einen Forscher oder eine Forscherin rund um die Uhr ans Mikroskop zu setzen, bringen wir dem Mikroskop bei, was Mitose ist und lassen es die Fleißarbeit machen.“

Man könne sich das Mikroskop wie eine Überwachungskamera vorstellen, die einen Türeingang filmt und genau dann heranzoomt und die Aufnahme speichert, sobald ein Einbruch geschieht – nicht aber, wenn die Tür regulär geöffnet wird. Der Vorteil: Die Maschine kann Tag und Nacht durcharbeiten. „Die Zellkulturen kommen unter das Mikroskop und ein paar Tage später haben wir Hunderte neuer Datensätze“, sagt Reber und ist überzeugt: „Das funktioniert!“


Hintergrund: Data Science +X und IMPACT

Prof. Dr. Simone Reber ist Teil der Forschungsverbünde Data Science +X und IMPACT (Interaction, Metabolism, Purification, Analytics, Co-Culture and Target-specific Drug-Design). In Data Science +X arbeiten Professor*innen fachübergreifend mit Studierenden, Doktoranden und Industriepartnern an Grundlagenforschung zu Künstlicher Intelligenz und Data Science. Im Forschungsverbund IMPACT wird fachübergreifend an der Charakterisierung und Produktion bioaktiver Substanzen geforscht sowie an der Analyse und Nutzung von in Gemeinschaften lebenden Zellen. 


Autor: Lenn Sawade

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