Wenn Roboter laufen lernen

In der Zukunft könnten humanoide Roboter Aufgaben für den Menschen übernehmen. Wissenschaftler*innen erforschen daher, wie sie selbstständig Laufen und Handhaben lernen. Dafür werden Bewegungsmuster identifiziert und in eine für Roboter verständliche Sprache übersetzt.

Roboter beim Lernen und Laufroboter Digit
Lernen Roboter künftig mithilfe von Videos laufen? Der Laufroboter Digit (r.) soll in Zukunft ohne Fernsteuerung unterwegs sein.Bild: BHT/MuseAI, BHT

Die Berliner Hochschule für Technik (BHT) untersucht in einem Forschungsprogramm, wie eine Zukunft mit Künstlicher Intelligenz aussehen könnte. Unter dem Titel „Berliner Initiative für Forschung im Bereich Foundation Models“ (Appl-FM) wird ein interdisziplinäres Team von zehn Forschenden aus verschiedenen Fachrichtungen mit einem Fördervolumen von fünf Millionen Euro über fünf Jahre unterstützt. Diese Initiative ist Teil der von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) ins Leben gerufenen Forschungsimpulse (FIP), die darauf abzielen, anwendungsorientierte Grundlagenforschung zu fördern. In dem Programm sollen mit Foundation Models – hochentwickelte KI-Systeme, die Muster in Daten erkennen und lernen können – neue Lösungen für aktuelle Herausforderungen entwickelt werden. Im Fokus steht dabei auch der Bereich Robotik.

Kein Selbstzweck

Ein Kind lernt zu zählen, indem es eine Anzahl von Dingen durch die Bewegung der gleichen Anzahl von Fingern darstellt. Mit zunehmender Übung kann das Zählen ganz ohne die Bewegung der Finger ausgeführt werden. Es gibt Theorien, die davon ausgehen, dass das menschliche Zahlenverständnis an die körperlichen Erfahrungen gebunden ist. Darauf aufbauend: Wahre Intelligenz benötigt einen Körper – oder einen Roboter.

Natürlich soll die Intelligenz nicht bloß zum Selbstzweck in die Maschine gebracht werden. „So lange Menschen in der Realität leben und nicht im virtuellen Raum, brauchen wir nun mal die Robotik“, sagt Prof. Dr. Ivo Boblan, Experte für Humanoide Robotik am Fachbereich VII. Ihm zufolge können Roboter eines Tages selbstständig Aktivitäten für Menschen übernehmen – etwa Botengänge für beeinträchtigte Personen machen, im Gesundheits- oder Logistikwesen assistieren.

Laufende Hardware

Warum aber humanoid, also in menschenähnlicher Gestalt? „Weil wir unsere Umwelt für den Menschen optimiert haben“, sagt Boblan. „Alle Tische sind 70 Zentimeter hoch, menschengerecht. Alle Schubläden sind auf unserer Höhe, nicht zu tief und nicht zu hoch.“ Die Gesellschaft, wie wir sie geschaffen haben, biete sich dafür an, von Menschen oder menschenähnlichen Wesen genutzt zu werden.

Ein Humanoider Roboter ist in erster Linie Hardware. Jede Bewegung, die Laufroboter Digit ausführt, ist entweder ferngesteuert oder programmiert. Im Human.VR.Lab bringen BHT-Forschende ihrem Roboter-Ziehsohn das Laufen oder Handhaben per Motion-Capture-Verfahren bei: Kameras filmen Menschen bei alltäglichen Aufgaben, wie beim Gehen oder beim Greifen von Objekten. Die Forschenden erfassen dabei sowohl visuelle Daten als auch Signale zur Muskelaktivität mit speziellen Elektroden.

Humanoide Turbo-Lerner

„Ziel bei Appl-FM ist es, in diesen Daten Bewegungsmuster zu identifizieren, sogenannte Motion Primitives, die wir in eine für Roboter verständliche Sprache übersetzen“, erklärt Prof. Dr. Hannes Höppner, Laborleiter Humanoide Robotik. „Der Roboter lernt dann durch eigenes Ausprobieren, diese Bewegungen von Start- zu Endpunkt auszuführen.“ So entstehe eine Bibliothek von Bewegungsmustern, die der Roboter flexibel kombinieren und in für ihn unbekannten Situationen anwenden könne – die Grundlage für eigenständige Bewegung und Intelligenz.

„Aber wir müssen die Bewegung ja nicht in irgendwelchen Laboren nachstellen. Es gibt ja genügend Videos im Netz“, sagt Boblan über seine Vision, eines Tages Bewegungsdaten aus frei verfügbaren Videos zu extrahieren und damit die KI zu trainieren. Das würde den Forschenden nicht nur unzählige Kniebeugen und Liegestütze vor der Motion-Capture-Kamera ersparen, sondern viel Zeit und Geld: „Ein Roboter kann Videos viel schneller abspielen“, erklärt Boblan. Wofür der Mensch Jahre bräuchte, könnte für die Maschine in wenigen Tagen erlernbar sein.


Hintergrund: HARMONIK

Prof. Dr.-Ing. Ivo Boblan und Prof. Dr.-Ing. Hannes Höppner sind Teil des Forschungsverbundes Forschungsverbund „Humanoide Robotik und Mensch-Technik-Interaktion (HARMONIK)“. Die Schwerpunkte des transdisziplinären Verbunds bilden Körperliche Intelligenz, Schnittstellen-Verarbeitung, Technisches Eigenverhalten und Soziales Metaverhalten.


Autor: Lenn Sawade

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