Mit Bakterien gegen Spätfrost

Es ist ein uraltes Problem in der Landwirtschaft: Spätfrost verursacht Millionenschäden im Obst- und Weinanbau. Wissenschaftler*innen forschen im Projekt INNOFrost an einer innovativen Lösung: Bakterien sollen die Pflanzen zukünftig vor Eiskristallen schützen.

Beschädigte Rebe
Beschädigte Rebe: Spätfrost und Eiskristalle haben dieser Pflanze zugesetztBild: Archiv DLR Rheinpfalz

Auf Anhieb verrät das Äußere des Geräts nicht seine Aufgabe: Glas umrahmt eine quadratische Metallplatte. Darauf liegen runde Scheiben, in denen Kabel stecken, die wiederum zu zwei Kästen an der Seite führen. Sie haben LED-Anzeigen und mehrere Tasten. „Das Gerät haben wir extra anfertigen lassen“, sagt die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dr. Zahra Sabet. An der Berliner Hochschule für Technik (BHT) arbeitet die Biologin für das Forschungsprojekt INNOFrost am Fachbereich V. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen an einem Frostschutz für den Obst- und Weinanbau mithilfe von Bakterien. Bislang gebe es dazu wenig Forschung, sagt Leiterin Prof. Dr. Tanja Heise, weswegen es auch keine passenden Geräte gegeben habe. Also ließ das Forschungsteam eine Apparatur, in diesem Fall zur Temperaturmessung, von einem Dienstleister bauen.

In dem Projekt, gefördert vom Institut für angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin), wollen die Forscher*innen eine Lösung für ein uraltes Problem in der Landwirtschaft finden: Spätfrost. Bis Mitte Mai können die Temperaturen nachts unter null Grad Celsius fallen. Wasser gefriert dann zu Eis. Die Folge: In den Obst- und Weinanlagen kommt es zu Schäden an den empfindlichen Blütenknospen – und damit zu wirtschaftlichen Einbußen in Millionenhöhe.

Verschiedene Bakterienarten

Erschwerend kommt hinzu, dass die Pflanzen infolge des Klimawandels früher im Jahr zu wachsen beginnen und somit die Gefahr von Spätfrost ansteigt. „Eine einzige Nacht mit weniger als minus 1,5 Grad kann ausreichen, um die aufgebrochenen Knospen zu schädigen. Sind sie zerstört, ist die Saison für die Obst- und Weinanbauer zerstört“, sagt Professorin Heise. In der Landwirtschaft wird daher versucht, die Pflanze vor Minustemperaturen zu schützen. Gängige Lösungen, beispielsweise künstliche Beregnung (Frostberegnung), Beheizung mit Kerzen oder Windmaschinen zur Luftzirkulation, sind allesamt energie- und ressourcenintensiv.

Mit INNOFrost verfolgt das BHT-Team eine Lösung, die günstig, nachhaltig und einfach umsetzbar sein soll. Geforscht wird direkt an der Ursache: Wasser gefriert normalerweise ab null Grad Celsius. Verantwortlich dafür sind Partikel im Wasser, die Eiskristalle bilden. In sehr reinem Wasser, das frei von solchen Partikeln ist, kann der Gefrierpunkt daher auf etwa minus 40 Grad fallen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben gezeigt, dass es sich bei den eiskernbildenden Partikeln im Wasser um Bakterien handelt, zum Beispiel um die Gattungen Pseudomonas und Xanthomonas. Diese als INA (ice nucleation active) bezeichneten Bakterien, auf deren Oberfläche sich eisbildende Proteine befinden, kommen überall vor.

Allerdings unterscheiden sich die einzelnen Bakterienarten, ab welcher Temperatur sie Eiskristalle bilden. Das Forschungsteam sucht deswegen diejenigen Vertreter, die bei den vergleichsweise milden Spätfrostnächten noch inaktiv sind. Ziel ist es, diese Bakterien zu identifizieren und zu vermehren. Perspektivisch könnte, so die Hoffnung, aus ihnen ein anwendbares Produkt entstehen, etwa eine Flüssigkeit zum Aufsprühen auf die Knospen. Dort sollen sie die anderen INA-Bakterien verdrängen, wodurch die Nutzpflanzen einen natürlichen Schutz vor Spätfrostnächten bekämen.

Proben von Versuchsfeldern

In dem zweijährigen Projekt ist angedacht, Blattproben von Versuchsfeldern zu untersuchen. An der BHT sollen die darauf haftenden Bakterien per Oberflächenabstrich gewonnen werden. Gegenwärtig untersucht das Team bereits Proben. Es ermittelt, ab welcher Temperatur sich Eiskristalle bilden. Interessant sind für die Wissenschaftler*innen die Bakterien, die erst zwischen minus 6 und minus 10 Grad reagieren. Denn: „Es ist selten, dass die Temperaturen bei Spätfrost in diesen Bereich fallen“, sagt Zahra Sabet. Im Anschluss gehen die relevanten Proben an die Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW Berlin), mit der die BHT in dem Projekt kooperiert. Dort wird mit molekularbiologischen Methoden die Bakterienart und -gattung bestimmt.

Für die INNOFrost-Forschung an der BHT spielt das eingangs erwähnte Spezialgerät eine wichtige Rolle. Mit der Apparatur lässt sich die Temperatur der Metallplatte gezielt auf Minusgrade herunterkühlen. Die Bakterienproben kommen auf die Unterlegscheiben. Die Wissenschaftler*innen beobachten dann, wann sich in den Petrischalen Eiskristalle bilden. Das Gerät zeigt ihnen dabei die exakte Temperatur jeder Scheibe an. Bei den Kabeln, die in den Metallscheiben stecken, handelt es sich um Temperaturfühler.

 


Das Projekt: INNOFrost

  • Projektpartner: BHT, HTW Berlin, LGC Genomics, Lehr und Versuchsanstalt für Gartenbau und Arboristik
  • Projektleitung (BHT): Prof. Dr. Tanja Heise
  • Projektlaufzeit: 01.04.2023 bis 31.03.2025
  • Förderung: Institut für angewandte Forschung Berlin (IFAF Berlin)
  • Weitere Informationen auf der IFAF-Website

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