CT-Scans: Was Holz über das Klima verrät

Neue Forschungsmethode für die Archäologie: Prof. Dr. Astrid Haibel, Fachbereich II, durchleuchtet an der Berliner Hochschule für Technik uralte Holzproben mit einem Computertomographen. Die Aufnahmen der Jahresringe geben wichtige Informationen über die Klimaentwicklung preis.

Prof. Dr. Astrid Haibel steht vor dem Computertomographen
Prof. Dr. Astrid Haibel steht vor dem Computertomographen (oben links) im Physik-Labor der BHT. Mit dem Gerät werden uralte Eichenholzfragmente geröntgt, die zuvor mit einer Schiene (o. r.) oder Füllmasse (u. l.) stabilisiert wurden. Auf dem 3-D-Röntgenbild (u. r.) sind die großen Gefäße (rote Pfeile) der Jahresringe gut zu erkennen.Bild: K. Floegel; F. Schweyher; A. Haibel

Astrid Haibel, Physik-Professorin am Fachbereich II der Berliner Hochschule für Technik (BHT), hält ein 6000 Jahre altes Eichenholzfragment in der Hand. Mit den Fingern dreht sie es hin und her, zeigt es von allen Seiten. Das Stück ist klein, unscheinbar, wie alle Fragmente, die auf einem Tisch im Physik-Labor liegen. Sie stammen aus Grabstätten im Kaukasus, die unter der Erde aus Baumstämmen errichtet wurden. Das Holz ist für Archäolog*innen besonders interessant. Sie haben es auf die Jahresringe abgesehen, weswegen einige Holzproben an die BHT gehen.

„Wir bekommen die schwierigen Fälle“, sagt Haibel, die das Physik-Labor leitet. Die uralten Fragmente seien in schlechtem Zustand. Manchmal sei nur Holzkohle übrig. Sie sei zu zerbrechlich, als dass Archäolog*innen einen Querschnitt dadurch sägen könnten, um die Jahresringe freizulegen. Im Labor kommt deshalb ein Computertomograph (CT) zum Einsatz. Der Röntgenstrahl im Inneren des wandschrankgroßen Geräts durchleuchtet das verwitterte Holz. „Auf den CT-Bildern sieht es wie frisches Holz aus.“ Die Struktur sei vollständig intakt und gut sichtbar.

Markante Lochreihen

Mit dem CT eröffnen sich für die Altersbestimmung von Holz neue Möglichkeiten. Aus den Zellen, die die Jahresringe bilden, lässt sich sehr genau analysieren, unter welchen klimatischen Bedingungen ein Baum damals gewachsen ist. Diese Informationen sind wichtig für die Klimaforschung, sie geben der Archäologie aber genauso Hinweise, wie die Menschen damals gelebt haben. Um den Hölzern ihre Geheimnisse zu entlocken, arbeiten das Deutsche Archäologische Institut, das Geoforschungszentrum Potsdam und die BHT zusammen.

Bevor die Professorin eines der rund vier Zentimeter langen Stücke mit dem CT durchleuchten kann, fixiert sie die Probe mit einer Schiene aus Plexiglas oder Pappe. Manche Fragmente erhalten zusätzlich einen festen Ãœberzug aus Füllmasse oder Silikon. Dies soll verhindern, dass sich das Holz während des Scans verschiebt oder Teile abfallen. „Wenn sich die Proben während der Messung  nur minimal bewegen, werden die Bilder unscharf“, erklärt sie.

Im Inneren des Geräts vom Typ „Phoenix Nanotom m“ kommt das Fragment auf eine Halterung, die vor  der Strahlenquelle angebracht ist. Während des Röntgens dreht sich der Probentisch um die eigene Achse. Auf diese Weise erfassen die Strahlen das Objekt aus allen Winkeln. Um die Daten eines kompletten Jahrringmusters eines Baumstammes zu messen, werden viele Einzel-CTs abschnittsweise gemessen und zu einem dreidimensionalen Gesamtbild zusammengesetzt. Rund 20 Stunden dauert das Erfassen des kompletten Jahrring-Musters einer Holzprobe. In jedem Einzel-CT werden circa 2000 hochaufgelöste Röntgenbilder erfasst, aus denen der dreidimensionale Datensatz berechnet wird. Die zusammengesetzten Daten können anschließend am Computer beliebig virtuell gedreht, angeschnitten und bearbeitet werden.

Blick in das Innere

Auffällig auf den erzeugten Bildern sind die markanten Lochreihen. Es handelt sich um die Lebensadern eines Baums, durch die er das Wasser einst transportierte. Immer im Frühling, wenn ein Baum schnell wächst, entstehen mehr oder weniger dieser Zellen pro Jahresring, abhängig von Baumsorte und äußeren Faktoren wie dem Klima. Aus der Größe der Löcher und ihrer Anzahl lassen sich Rückschlüsse auf Wasserhaushalt und Wachstum schließen. Regnete es viel, sind die Zellen eines Jahresrings größer und zahlreicher. War es trocken, schrumpfen die Wasserbahnen und damit ihr  Durchmesser .

Jeder Baum schreibt sozusagen eine Wetter-Chronik. Dabei besitzen Bäume derselben Sorte, die in einer Region zur gleichen Zeit denselben Umständen ausgesetzt waren, ein sehr ähnliches  Muster, ähnlich einem Fingerabdruck. Wissenschaftler*innen nutzen dies, um mehr über das Klima zu erfahren. Sie sammeln und analysieren deswegen alte Hölzer. Denn: Wenn es gelingt, Proben aus einer Region in zeitlicher Abfolge aneinanderzureihen, lassen sich Klimaverläufe über Tausende von Jahren nachvollziehen. 

Umso älter die Holzstücke sind, desto schlechter ist oft der Zustand. Viele dieser Proben waren für die Archäologie verloren. Mit dem CT ist erstmals ein Blick in das Innere dieser Fragmente möglich geworden. Und die BHT spielt dabei eine wichtige Rolle. „Vor uns hat noch niemand mit einem CT Informationen aus Hölzern gewonnen, die mit herkömmlichen Mitteln nicht mehr auswertbar waren“, sagt Haibel. Es ist also davon auszugehen, dass Archäolog*innen der BHT auch weiterhin hochbetagte Holzproben schicken werden – so klein und unscheinbar sie auch aussehen mögen.


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