Welchen beruflichen Weg hatten Sie vor dem Studium eingeschlagen?
Ich wurde 1941 in Berlin-Köpenick am östlichen Stadtrand von Berlin geboren. Ein Schulbesuch der Oberschule war nicht möglich, da ich nicht bei den Jungen Pionieren und auch kein Arbeiter- und Bauernkind war, was ja alles im Klassenbuch vermerkt war. Also begann ich eine Lehre im Kabelwerk Oberspree als Elektromonteur. Drei Monate vor der Facharbeiterprüfung wurde ich entlassen, da ich mich der Jungen Gemeinde der evangelischen Kirche zugehörig fühlte und mich dort auch engagierte. Im Zuge meiner Entlassung aus meiner Facharbeiterausbildung brachte die SED Werkzeitung einen Artikel mit der Überschrift "Lehrling Spiller und die Junge Gemeinde". Darin wurde über eine Versammlung berichtet, in der meine Entlassung gefordert wurde: "In dieser Versammlung wurde klargestellt, dass unser Staat solchen Lehrlingen keine Qualifizierungsmöglichkeiten bieten kann." Kurz zuvor wurde ich noch als bester Lehrling des Lernkollektivs ausgezeichnet. Wie mir erging es tausenden anderen Jugendlichen.
Wie kamen Sie zum Studium?
In Berlin bestand die Möglichkeit, täglich von Ost-Berlin nach West-Berlin zu fahren, um dort zur Schule zu gehen und sich weiter zu qualifizieren. Das war zwar beschwerlich aber belastete einen kaum. So begann ich 1959 ein Studium an der Ingenieurschule Gauß in Westberlin nachdem ich die Ausleseprüfung bestanden hatte.
Was war eine Besonderheit während Ihrer Studienzeit?
Der Mauerbau 1961, der mich bei einem Zelturlaub der Jugendgruppe an der Ostsee bei Warnemünde überraschte. Ich fuhr am 13. August im Zug nach Berlin zurück. Die Polizei an meinem Wohnort in der DDR stellte mir meine Zukunft dar: Erstmal Ernteeinsatz, dann Verpflichtung bei der Armee und erst danach würde ich dann in meinem erlernten Beruf wieder arbeiten können.
Die Flucht nach Berlin-West, um dort mein Ingenieurstudium fortzusetzen, war für mich die einzig denkbare Alternative. 2 von 3 Jahren des Studiums waren da bereits geschafft. Ich flüchtete am Dienstag, den 15.August nach Westberlin an der Friedrichstrasse / Kochstraße; in Sommerkleidung, lediglich ein Personalausweis war in der Unterhose versteckt.
Wie ging es weiter und was hat Sie während Ihrer Studienzeit geprägt?
Zum Glück gab es Unterlagen von mir in der Ingenieurschule Gauss, wie Zeugnisse, Kopie der Geburtsurkunde u.ä. Ich konnte also mein Studium an der Ingenieurschule Gauß fortsetzen und im Juli 1962 abschließen. Ich legte dann die Allgemeine Hochschulreifeprüfung in einer externen Prüfung ab. Hierzu besorgte ich mir alle Schulbücher der Oberschule, lernte und bestand. Anschließend studierte ich an der Technischen Universität Berlin Elektrotechnik, wurde wiss. Assistent, Lehrbeauftragter, Mitglied des Akademischen Senats der Universität usw.
Meine finanzielle Situation nach meiner Flucht war katastrophal. Erst nach vielen Monaten bekam ich ein Stipendium/Eingliederungsbeihilfe nach dem sogenannten "Honnefer Modell" von 195 DM. Später mussten dann 2/3 zurückgezahlt werden. Mein Zimmer im Studentenwohnheim "Ernst Reuter" in der Triftstrasse kostete 85 DM monatlich. Die Studiengebühren betrugen 90 DM je Semester. Ich musste also ständig auch Arbeiten. besser: Ich musste also ständig neben dem Studium auch arbeiten, um Geld zu verdienen. Einen Vergleich mit heutigen Verhältnissen vermeide ich lieber.