Vorbeugende OP senkt Krebsrisiko

Er gilt als „stiller Killer": Eierstockkrebs. Dabei könnte ein einfacher Eingriff die Zahl der Erkrankungsfälle um bis zu 15 Prozent senken. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Angela Kather in ihrer Masterarbeit an der Berliner Hochschule für Technik.

Demonstration Eileiterentfernung an Modell, daneben Porträt von Angela Kather
Angela Kather untersuchte, wie sich die Eileiterentfernung bei geplanten Bauchoperationen auf die Prävention von Eierstockkrebs auswirkt. Auf dem linken Bild ist der Eingriff an einem Modell zu sehen.Bild: Michael Szabó, Universitätsklinikum Jena; BHT

Die Forschungsergebnisse von Dr. Angela Kather zur Prävention von Eierstockkrebs, basierend auf ihrer Masterarbeit im Studiengang Medizinische Informatik an der BHT, sind in der Fachzeitschrift PLOS Medicine erschienen. Die ehemalige BHT-Studentin, die inzwischen an der Universitätsfrauenklinik Jena als Wissenschaftlerin tätig ist, zeigt in ihrer Studie, dass die routinemäßige Entfernung der Eileiter bei Gelegenheit geplanter Bauchoperationen die Häufigkeit von Eierstockkrebs erheblich senken und gleichzeitig die Gesundheitskosten verringern könnte.

„Dieser Ansatz zeigt, wie die interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Medizinischer Informatik an der BHT und klinischer Medizin entscheidende Erkenntnisse liefert, die Relevanz für Praxis und Gesellschaft haben“, kommentiert Prof. Dr. Ingo B. Runnebaum, der die Masterarbeit als Lehrbeauftragter der BHT betreute. „Da prospektiv randomisierte Studien über 20 Jahre und an einer sehr großen Zahl der Bevölkerung nicht realistisch und auch ethisch fragwürdig wären, liefert diese Modellrechnung wichtige wissenschaftliche Anhaltspunkte und ersetzt gewissermaßen nicht durchführbare klinische Studien.“

Eierstockkrebs ist eine seltene, oft tödliche Erkrankung, die häufig erst in fortgeschrittenen Stadien diagnostiziert wird, da es keine wirksame Früherkennung gibt. Neuere Forschungen zeigen, dass die aggressivsten Formen des Eierstockkrebses ihren Ursprung in den Eileitern haben können.

Mathematisches Modell

Eine Möglichkeit, das Erkrankungsrisiko zu senken, ist die „opportunistische Salpingektomie“ (OS) – die vorsorgliche Entfernung beider Eileiter bei Frauen mit abgeschlossener Familienplanung nach vorheriger ausführlicher Aufklärung. Ärzt*innen empfehlen den Eingriff, wenn ohnehin eine gynäkologische oder andere geeignete Bauch-Operation bei einer Patientin geplant ist. In dem Verfahren bleiben die Eierstöcke erhalten, die weiterhin Hormone produzieren können.

In ihrer Masterarbeit (Gutachterin: Prof. Dr. Ulrike Grömping, Fachbereich II) entwickelte die Wissenschaftlerin ein mathematisches Modell, mit der sie berechnete, wie sich die vorsorgliche Entfernung der Eileiter bei geeigneten Operationen auf die Eierstockkrebsrate und die Gesundheitskosten in Deutschland auswirken könnte.

Das Ergebnis: Würde bei allen geeigneten Bauchoperationen zeitgleich eine OS durchgeführt, könnte dies die Zahl der Eierstock-Krebsfälle um rund 15 Prozent reduzieren. Bei OS nur im Rahmen von gynäkologischen Operationen läge die Reduktion bei rund zehn Prozent. Werden die Eileiter nur bei Gebärmutterentfernungen oder Sterilisationen entfernt, würde die Inzidenz um etwa fünf Prozent sinken.

„Zweifacher Gewinn“

Mit den berechneten niedrigeren Krebsraten würden ebenso die Kosten im Gesundheitssystem sinken. Für jedes zusätzliche Jahr, das Frauen in guter Gesundheit leben, würde je nach gewählter Strategie zwischen 4.500 und 8.700 Euro eingespart werden, so die Berechnungen.

Die opportunistische Entfernung der Eileiter unterscheidet sich von anderen präventiven Maßnahmen in der chirurgischen Medizin, da sie keine individuelle Risikoeinschätzung erfordert. „Statt gezielt Hochrisikopatientinnen anzusprechen, kann dieser Gelegenheitseingriff breit während geplanter Operationen bei Frauen mit erfülltem Kinderwunsch eingesetzt werden, um die Inzidenz von Eierstockkrebs auf Bevölkerungsebene zu senken“, so Runnebaum.

Damit unterscheidet sich dieser Ansatz von etablierten opportunistischen Eingriffen wie der Blinddarmentfernung oder Gallenblasenentfernung, die auf spezifische Risikopatienten abzielen. Prävention würde erstmals systematisch in den Alltag chirurgischer Routine bei Frauen mit erfülltem Kinderwunsch integriert, da der Eingriff als minimaler Zusatz während ohnehin geplanter Operationen erfolgt. Angela Kather ergänzt: „Hochgerechnet auf die deutsche Bevölkerung könnte das Gesundheitssystem um jährlich mehr als zehn Millionen Euro entlastet werden – ein zweifacher Gewinn: weniger Krankheitsfälle und nachhaltige finanzielle Entlastung für das Gemeinwohl.“

 

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