Bekannte Modelle heißen Figure, Optimus oder Apollo. Gemein haben sie, dass die Entwicklung humanoider Roboter rasant verläuft. Prof. Dr.-Ing. Boblan, wo steht Deutschland in diesem Bereich?
Rund 70 Prozent der Firmen, die an humanoiden Robotern arbeiten, sitzen in den USA. Stark vertreten sind ebenso Kanada und China. Es gibt viele Projekte, etwa der „Figure“ des gleichnamigen Unternehmens oder der „Optimus“ von Tesla. Letztendlich ist entscheidend, wie viel Geld ein Unternehmen in die Entwicklung investieren kann und wie schnell es den Roboter auf den Markt bringt. In den USA investierte der Autobauer Tesla Milliarden Dollar in ein Startup, das dann innerhalb eines Jahres einen funktionierenden humanoiden Roboter auf die Beine gestellt hat.
In Deutschland ist die Finanzierung wesentlich schwieriger: Banken investieren nicht gern, und Förderanträge zu stellen, ist sehr aufwendig und dauert bis zur Bewilligung viel zu lang. Die Technik schreitet extrem schnell voran. Deutschland und Europa könnten in der Künstlichen Intelligenz und in der Robotik durchaus mithalten, wenn mehr und schneller Geld für Projekte zur Verfügung stehen würde. Wir haben die Expertinnen und Experten, nur merken viele von ihnen hierzulande, dass sie beruflich nicht vorankommen und wechseln deshalb zu US-Firmen. Das ist Mist.
In Europa müssen wir Startups mit Geld fördern, die Roboter aus europäischer Produktion auf den Markt bringen. Zum Vergleich: Das chinesische Unternehmen Unitree Robotics hat angekündigt, mit seinem humanoiden Roboter „H1“ Weltmarktführer werden zu wollen. Das wird ihnen wohl gelingen, weil sie extrem viel Geld in diese Technologie investieren.
Die Künstliche Intelligenz beschleunigt angeblich die Evolution humanoider Roboter. Warum ist das der Fall?
Im Prinzip kann eine KI alles erlernen. Es gibt die sogenannte Transformer-Modelle, wie eines von ihnen zum Beispiel bei ChatGPT für das Erkennen und Ausgeben von Sprache zum Einsatz kommt. Ein solches Modell kann genauso ein System trainieren, das die einzelnen Motoren an den Gelenken eines humanoiden Roboters steuert. Es lernt mithilfe von neuronalen Netzen, einen Roboter selbstständig von A nach B gehen zu lassen. Dafür sind weder Regelungstechnik noch Mensch nötig. Das Problem: Die neuronalen Netze sind sehr groß und es gibt weltweit nur wenige Rechenzentren, die sie trainieren können. Viele US-Firmen kooperieren deswegen zum Beispiel mit Nvidia.
In Deutschland existieren nur wenige eigene Modelle. Wir Hochschulen und Universitäten können uns außerdem die zur Berechnung dieser Netze notwendigen Rechenzentren nicht leisten. An der BHT haben wir einen im deutschlandweiten Vergleich sehr großen Rechencluster, der aber zunehmend an seine Grenzen stößt. Das geht anderen Hochschulen genauso. Um im weltweiten Wettbewerb in der KI dabei zu sein, muss Deutschland, muss Europa massiv investieren. Ansonsten können wir die immer größer werdenden neuronalen Netze irgendwann nicht einmal mehr starten geschweige denn trainieren.
Ein möglicher Kompensationsschritt wäre die Kooperation mit anderen Hochschulen und die Zusammenschaltung in Form von mehreren Hardware-Clustern. Auch angesichts der Tatsache, dass Robotik und KI zukünftig wohl noch mehr verschmelzen werden. Vorstellbar ist, dass ein KI-System wie ChatGPT in der Zukunft das „Denken“ eines humanoiden Roboters übernimmt. Er kann sich dann selbstständig bewegen und Aufgaben ausführen. Die Rede ist von Embodiment, die KI bekommt einen Körper.
Inwiefern wird an der Berliner Hochschule für Technik (BHT) in der Robotik geforscht?
An der BHT sind wir mit den zwei Forschungsverbünden Data Science +X, in dem wir uns mit KI und Transformer-Modellen beschäftigen, und HARMONIK, dem ich als Sprecher vorstehe und in dem wir uns mit humanoider Robotik und Mensch-Technik-Interaktion beschäftigen, sehr gut aufgestellt. Beide Verbünde arbeiten an der Schnittstelle zwischen Robotik-Embodiment und KI-Brain eng zusammen. An der Hochschule forschen wir sowohl an gekauften Robotern wie dem menschenähnlichen Roboter Digit und dem Roboterhund Go1, als auch an selbstentwickelten Robotern wie dem humanoiden Muskelrobotertorso ZAR5 und dem humanoiden Kindroboter Myon.
Zudem sind wir derzeit in der Planung, die über die Jahre gewonnenen Erfahrungen mit den genannten Robotersystemen in einen eigenen humanoiden Roboter münden zu lassen. Dafür benötigen wir natürlich Fördergelder und kluge Köpfe. Die klugen Köpfe bekommen wir aus unseren Studiengängen an der BHT, insbesondere dem Bachelorstudiengang Humanoide Robotik und dem Masterstudiengang Data Science. Zum Wintersemester 2025/2026 wird der Bachelor Humanoide Robotik durch einen gleichnamigen Masterstudiengang komplettiert.
Um den Bogen noch weiter zu spannen: Auch Exoskelette können mit KI ausgestattet werden, um zum Beispiel ergonomische Anpassungen oder Unterstützungsstärken selbstständig zu erkennen und für die Trägerinnen situativ in Echtzeit einzustellen. Das große Ziel unserer Anstrengungen ist das Bestreben, Berlin als ein Zentrum für KI-angereicherte Exoskelette und Roboter zu etablieren und diese Schlüsseltechnologie zum Beispiel im Gesundheitswesen den Menschen und der Gesellschaft zur Verfügung zu stellen.
Zur Person
Prof. Dr.-Ing Ivo Boblan, Fachbereich VII, ist Leiter des Forschungslabors Pneumatische Robotik und Softrobotik an der BHT und lehrt im Studiengang Humanoide Robotik, u.a. die Module Kognitive Robotik, Pneumatische Robotik und Softrobotik, Systemanalyse und Systemmodellierung sowie Bionik und bionische Bewegungssysteme.