Janine Kupfernagel studierte Industrial und Engineering Design an der Hochschule Magdeburg. Ein damaliger Gastdozent der Beuth Hochschule hat sie nach ihrem Masterabschluss eingeladen an der Beuth Summer School ihr Lieblingsfach Bionik zu unterrichten. Wie Phänomene in der Natur – in ihrem Fall der Heuschreckensprung – für Technik brauchbar gemacht werden können, erforscht sie heute als Promovendin in einem IFAF-Forschungsprojekt an der Beuth Hochschule.
Du wurdest als Lehrende der Summer School an die Beuth Hochschule eingeladen, wie hat sich daraus deine Promotion entwickelt?
Da ich unbedingt in der Bionik promovieren wollte, wurde mir als Betreuer an der Beuth Prof. Ivo Boblan vorgeschlagen, der sehr tief in der Fachrichtung verankert ist. Nach einem Treffen und einer groben Ausarbeitung des Themas habe ich von ihm eine mündliche Zusage bekommen, dass er meine Promotion begleiten und unterstützen möchte.
Du promovierst kooperativ mit der TU zusammen. Wie verlief die Suche nach der Betreuung dort? Musstest du, um zur Promotion zugelassen zu werden, noch zusätzliche Auflagen erfüllen?
Mein Betreuer hatte einige Vorschläge, wen wir an der TU kontaktieren könnten, letzten Endes habe ich aber selbständig einen Doktorvater gefunden. Dieser konnte selbst entscheiden, ob ich für die Zulassung zusätzliche Prüfungen belegen muss oder nicht. Nach Überprüfung meiner Masterarbeit war seine Entscheidung, dass dies nicht nötig wäre und ich mich lieber auf meine Promotion fokussieren soll.
Für all diejenigen, die mit dem Thema nicht vertraut sind, womit beschäftigt sich Bionik?
Im Grunde lernt man als Bionikerin zwischen Biologie und Technik eine Schnittstelle zu schaffen und sie zu koordinieren, damit auch beide Seiten die Sprache verstehen. In dem Fach bin ich eine Quereinsteigerin – ich komme aus der konstruktiv gestalterischen Richtung. In der Bionik kam für mich noch die Biologie als Fachbereich dazu, sodass ich während der Promotion noch ein weiteres Studium autodidaktisch begann. Ein Fachhochschulabschluss hat sich bisher als vorteilhaft erwiesen. Tatsächlich konnte ich meine praktischen Erfahrungen aus dem Studium mit dem neu erworbenen theoretischen Wissen in meiner Dissertation bisher sehr gut verknüpfen.
Stell uns doch kurz dein Promotionsthema vor.
In meiner Arbeit geht es um arbeitsunterstützende Exoskelette, die den betrieblichen Alltag, z.B. das Heben von Lasten erleichtern sollen. Dazu schaue ich mir speziell Insekten an. Viele Insekten haben die Möglichkeit Energie zu speichern und kontrolliert abzugeben. Mein Ziel ist es, diese biologischen Speichersysteme zu analysieren und deren Mechanismus in technische Exoskelette zu integrieren, um sie für den Menschen nutzbar zu machen.
Wie finanzierst du deine Promotion?
In den ersten anderthalb Jahren habe ich mich selbst um eine Finanzierung bemüht. Gute Kontakte in der Bionik halfen mir, ein Unternehmen zu finden, das sehr an meinem Thema interessiert ist. Die Firma Carl Stahl Süd hat sich bereit erklärt, mein Projekt vier Jahre lang mit einer halben Stelle finanziell zu unterstützen, womit ich erstmal starten konnte. Nachdem ich mich in die Grundlagen meines Themas eingearbeitet hatte, haben wir mit Prof. Boblan und Prof. Astrid Haibel in Zusammenarbeit mit der HTW einen Antrag für ein Drittmittelprojekt beim Institut für angewandte Forschung Berlin (IFAF) gestellt, wo wir seit April 2019 gefördert werden. Im Rahmen des Projekts werde ich mit einer weiteren halben Stelle finanziert. Die Firma Carl Stahl Süd ist auch Kooperationspartner im IFAF Projekt.
Wo ist dein Arbeitsplatz und wie sieht dein typischer Arbeitsalltag aus?
Wenn ich Messungen mache bzw. an Modellen arbeite, bin ich an die Hochschule gebunden und nutze dort die Werkstätten und Geräte im Physiklabor oder im Lehrlabor des Studiengangs Humanoide Robotik. Wenn ich aber Messungen auswerte oder Publikationen schreibe, kann ich das auch im Homeoffice machen. Ich bin alleinerziehende Mutter eines Sohnes, der jetzt in der ersten Klasse ist und wir wohnen am Rand von Berlin, sodass diese Konstellation für mich ideal ist. Natürlich nutze ich auch mein Büro an der Beuth und ab und zu auch die räumlichen und wissenschaftlichen Möglichkeiten an der TU, wo ich mit meinem dortigen Doktorvater in Kontakt stehe.
Inwiefern hat das Unternehmen Carl Stahl Süd Interesse an deinem Projekt?
Falls unser Exoskelett-Prototyp für die Firma einsetzbar ist, würde sie nach der Produktentwicklung gerne damit auf den Markt gehen. Sollten wir was „patentfähiges“ entwickeln, hätte die Firma das Vorrecht, das Patent anzumelden. Wir haben vereinbart, dass Carl Stahl erst das Patent anmeldet und ich danach die Dissertation ohne Einschränkungen veröffentlichen kann.
Hast du auch die Möglichkeit dich mit anderen Promovierenden auszutauschen?
Im IFAF-Projekt sind auch andere Doktorand*innen und Studierende tätig, so dass es hier eine gute Zusammenarbeit und einen regen Gedankenaustausch gibt. Zudem haben wir an der Hochschule jetzt auch ein Doktorandenkolleg, was ja an einer Fachhochschule nicht selbstverständlich ist. Ein erstes Treffen hatten wir schon, an dem sowohl Doktoranden als auch Promotionsinteressierte teilgenommen haben.
Worüber sollten sich Promotionsinteressentinnen vor der Entscheidung Gedanken machen?
Man sollte sich im Klaren sein, dass viele Standbeine nötig sind, um eine Promotion durchzuführen. Beispielsweise muss für eine kooperative Promotion eine Betreuung sowohl an einer Universität wie auch an der Hochschule gefunden werden. Zudem braucht man ein Thema, mit dem man sich mindestens die nächsten vier Jahre beschäftigen möchte. Auch mit der Anmeldung des Themas sollte man nicht zu lange warten. Statt sich ein Jahr lang ein Thema zu überlegen, empfehle ich, es so schnell wie möglich anzumelden. Damit kann das einem keiner mehr nehmen. Wenn z. B. der Betreuer/die Betreuerin abspringt, so ist die Universität verpflichtet, eine alternative Betreuung zu organisieren. Kleinere Änderungen im Thema sind danach immer noch möglich. Wichtig ist auch, dass man sich um die Finanzierung kümmert. Viele suchen sich einen Nebenjob. Die Arbeit muss aber noch genug Zeit für die Bearbeitung des Promotionsthemas übriglassen. Am besten ist es, eine Stelle zu finden, die zum Promotionsthema passt.
Was begeistert dich bei deiner Arbeit denn am meisten?
Was mir richtig Spaß macht, ist, dass sehr viele Türen in der Forschung offenstehen und ich vieles ausprobieren kann. Ich kann verschiedene Einrichtungen und Forscher*innen deutschlandweit und auch weltweit anschreiben und mich vernetzen. So habe ich mir bspw. in Kiel und Karlsruhe vor allem im Bereich der Biologie viel Unterstützung geholt. Das bringt einen in der Arbeit weiter, man bekommt neue Eindrücke und das motiviert natürlich sehr.
Verfasserin: Kaja Napotnik, Gender- und Technik-Zentrum (GuTZ)