Wenn Fachhochschulen für Uni-Absolventinnen interessant werden

BHT-Doktorandin Lea Katharina Kunz erzählt uns, wie eine Promotion als ein "learning-by-doing"-Prozess zu meistern ist.

Lea Katharina Kunz schreibt an ein Whiteboard
Beuth-Promovendin Lea Katharina KunzBild: Kaja Napotnik

Lea Katharina Kunz besetzt seit Herbst 2019 eine Promotionsstelle an der Beuth und forscht unter der Betreuung von Prof. Dr. Antje Ducki zum Thema „Arbeiten mit digitalen Tools und ihre Auswirkungen auf die Gesundheit von Beschäftigten“. Sie studierte Psychologie, zuerst in Chemnitz – da, wie sie sagt, ihr Abi „zu schlecht“ gewesen sei, um in ihrer Heimatstadt Berlin studieren zu können – kehrte aber zurück, um an der Humboldt Universität den Master zu absolvieren. Ihre Abschlussarbeit zum Thema „Ständige Erreichbarkeit bei Beschäftigten“ diente als Ausgangspunkt für ihr Promotionsvorhaben. 

Lea, als sich dein Studium dem Ende näherte, wusstest du schon, dass du im Anschluss gerne promovieren würdest?

Nein, zu dem Zeitpunkt hatte ich das selbst noch nicht so auf dem Schirm. Aus meiner Zeit an der Uni Chemnitz wusste ich nur: „Wenn du einen Doktor machen willst, musst du am besten schon während deiner Schulzeit an der Uni gearbeitet haben.“ Da ich mich auf mein Studium konzentriert und nicht bspw. als studentische Hilfskraft gearbeitet habe, habe ich diese Möglichkeit nicht mehr in Betracht gezogen. Nachdem aber die Betreuerin meiner Masterarbeit an der HU auf mich zu kam und meinte, bei sich eine Promotionsstelle ausschreiben zu wollen, auf die ich mich gerne bewerben könne, wurde das Thema plötzlich aktuell. Die Stelle habe ich dann zwar nicht bekommen, wurde aber an die Beuth Hochschule verwiesen, die zu der Zeit anfing, Promotionsstellen zu schaffen.

Und danach verlief alles reibungslos? 

Nicht ganz. Meiner jetzigen Betreuerin an der Beuth wurde der Antrag zur Promotionsstelle nicht genehmigt, somit gab es auch keine Stelle, auf die ich mich hätte bewerben können. So habe ich in der Zwischenzeit ein 6-monatiges Praktikum in einer Personal- und Organisationsberatung absolviert, wo ich im Anschluss auch übernommen wurde. Ein Jahr später hat es mit dem Promotionsstellenantrag doch noch funktioniert. Nach dem regulären Auswahlprozess habe ich die Stelle dann auch bekommen.

Wir sollten  erwähnen, dass das Promovieren an FHs nur in Kooperation mit Universitäten möglich ist und Promovendinnen unbedingt auch eine Betreuung an der Uni benötigen. 

Genau. Hier an der Beuth bin ich angestellt und an der HU als Promotionsstudentin immatrikuliert – eine Win-Win Situation. Ich verdiene 
Geld, habe aber trotzdem mein Semesterticket und komme günstiger ins Kino (lacht). Was die Betreuung angeht: Wenn Professor*innen an der Beuth eine Promotionsstelle ausschreiben wollen, müssen diese schon im Vorfeld eine*n Professor*in aus der Uni einholen, der oder die sich bereit erklärt, die Promotion gemeinsam zu betreuen. In der Regel muss man sich dann nicht mehr selbst darum kümmern.

Du besetzt die Stelle jetzt erst seit einigen Monaten. Erzähl ein bisschen, wie dein Arbeitsalltag bisher aussah.  

Ich befinde mich noch in der Ausdefinitionsphase, sodass meine wissenschaftliche Arbeit momentan darin besteht, mir Konstrukte auszusuchen, Fragestellungen abzuleiten und mit der Datensammlung anzufangen, die dann statistisch auszuwerten ist. Wie ich mein Thema schließlich eingrenze, hängt auch davon ab, was in den kommenden Wochen und Monaten Neues an Literatur und Studien herauskommt. Bei der Promotion ist es eben auch wichtig, dass du einen neuen Erkenntnisgewinn schaffst und nicht in der 20. Studie zum selben Thema nur eine Variable austauschst. 

Was hat dich am Anfang am meisten überrascht oder überwältigt? 

Ãœberrascht vielleicht nicht, aber man wird in den Anfangswochen ein wenig auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. In der Beratung, meinem vorherigen Arbeitsfeld, waren die vorgegebenen Wochenziele immer sehr überhöht. Dann hierher zu kommen, wo quasi dein einziges Ziel ist, im Bestfall innerhalb von 3 Jahren die Promotion abzuschließen – das hat sich zuerst angefühlt, wie in ein Loch zu fallen. Selbstorganisation hat sich da als unheimlich wichtig erwiesen. 

Für was für eine Art der Promotion hast du dich entschieden?  

Ich promoviere kumulativ, das bedeutet in meinem Fall, dass ich zwei Studien veröffentlichen werde. In der Regel musst du Professor*innen als Co-Autor*innen anführen, weil du deine Ergebnisse sonst nur sehr schwer publizieren kannst. Mir wurde zwar bei der Themeneingrenzung viel Freiraum gelassen, aber natürlich erwarten Betreuende, dass das Thema zu ihrem eigenen Forschungsfeld passt – gerade da ihr Name in der Publikation mit erscheint. 

Forschen ist jedoch nicht deine einzige Tätigkeit. Innerhalb einer Promotionsstelle bist du auch in die Lehre eingebunden. 

Ja, ich leite auch eine Lehrveranstaltung, die ich am Anfang vorbereiten musste. Zwar ist es unüblich, dies schon ab dem ersten Semester zu tun, es bestand jedoch die Möglichkeit, die Lehrveranstaltung „Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens“ zu übernehmen. Damit kannte ich mich  schon gut aus, was die Vorbereitungszeit um einiges verkürzte. Somit muss ich später in einer vielleicht kritischen Phase der Promotion nicht so viele Lehrveranstaltungen auf einmal gestalten. 

Von wem wirst du bei der Promotion unterstützt? Mit wem kannst du dich austauschen? 

Wichtig sind natürlich vor allem die regelmäßigen Treffen mit meinen beiden Betreuerinnen. Ich tausche mich auch mit meiner Kollegin im Büro aus, die selbst schon einen Doktortitel hat, und gehe zudem ins Forschungskolloquium des Lehrstuhls an der HU. Das haben wir mit meiner Doktormutter so festgehalten, als ich meinen Antrag zur Promotionszulassung an der HU gestellt habe. Ich gehe auch zu anderen Doktorand*innenentreffen, wo immer jemand anderes gerade seinen bzw. ihren Stand der Promotion vorstellt. Das bietet eine gute Gelegenheit, sich auszutauschen und Feedback zu bekommen. Nach einer gewissen Zeit befindet man sich in einer Art Tunnel, sieht vielleicht bestimmte Lösungsansätze nicht mehr oder denkt, da ist noch irgendwo ein Sinn, wenn keiner mehr da ist. Sich dann auch mit Menschen auszutauschen, die nicht viel mit dem Thema zu tun haben, empfinde ich als sehr hilfreich. 

In deiner engeren Familie hat zwar niemand promoviert, das hat dich aber nicht davon abgehalten, die Herausforderung anzunehmen. Woher wusstest du, wie Promovieren aussieht und was dich erwartet? 

Ich bin mir nicht mal sicher, ob ich das jetzt weiß (lacht). Ich glaube, da ist viel „learning by doing“ angesagt. Ganz allgemein heißt es, du fängst an zu forschen, schreibst die Doktorarbeit, hältst deinen Vortrag und verteidigst es. Wenn du Glück hast, kriegst du am Ende den Doktortitel. Wie die Abläufe im Detail aussehen, z. B. die Verteidigung, damit beschäftige ich mich, wenn es so weit ist. 

Was sollten Promotionsinteressentinnen bei der Entscheidung berücksichtigen? 

Zum Promovieren muss man schon eine gewisse Frustrationstoleranz haben, selbständig arbeiten können und ein gewisses Zeitmanagement besitzen. Sonst hat man in der Forschung aber ziemlich viele Möglichkeiten, die super spannend sind. Man leistet einen Beitrag, in dem man etwas erforscht, das es vorher so noch nicht gab. Dazu gehört zum Beispiel, eine neue Theorie zu entwickeln, neue Zusammenhänge zu erforschen, ein neues Modell aufzustellen oder doch eine Anwendung unmittelbar für die Praxis zu entwickeln – das ist erstmal egal. Was wichtig ist, du hast am Ende nicht nur den Doktortitel, du erschaffst auch Mehrwert für andere.

 

Verfasserin: Kaja Napotnik, Gender- und Technik-Zentrum (GuTZ)

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